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Thüringen: Sternenkind-Mutter geht durch die Hölle – was sie jetzt macht, geht ans Herz

Eine Thüringerin erlebt drei harte Schicksalsschläge – doch statt sich davon unterkriegen zu lassen, hilft sie jetzt anderen Menschen.

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© IMAGO/ photothek

Tod und Trauer: Hier kannst du dir helfen lassen

Du musst nicht alleine durch diese schwierige Zeit. Hier bekommst du Hilfe:

Es sind Geschichten, die das Leben schreibt. Traurig, schrecklich und doch herzerwärmend und rührend. Eine davon stammt direkt aus Thüringen.

Es geht um eine Thüringerin, die nach drei schweren Schicksalsschlägen nicht aufgegeben hat – ganz im Gegenteil. Sie hat daraus sogar noch Kraft gezogen und hilft jetzt ehrenamtlich anderen Müttern und Eltern durch die vermutlich schlimmsten Tage.

Thüringen: Thema Sternenkinder immer noch Tabu

Bei den Worten „Sternenkind“ und „Fehlgeburt“ halten viele Eltern fast automatisch den Atem an. Das emotionale Thema ist noch lange nicht in unserer Gesellschaft angekommen – weder in Thüringen noch in Deutschland. Dabei wurden im Jahr 2022 laut Statistischem Bundesamt 3.247 Kinder tot geboren, also 3.247 sogenannte Sternenkinder gab es im letzten Jahr in Deutschland.

Trotzdem fühlen sich viele Eltern bei der tragischen Diagnose allein, hilflos, überfordert. Kein Wunder, denn sie stecken ab dem Moment „keinen Herzschlag“ in ihrem schlimmsten Albtraum fest. Doch es gibt Menschen wie Viktoria Holzbrecher. Sie ist stille und palliative Geburtsbegleiterin sowie Trauerbegleiterin und arbeitet ehrenamtlich bei der Organisation Engelsflügel. Viktoria unterstützt die Sternenkind-Eltern, soweit gewünscht, in dieser schweren Zeit.

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„Ich gehe mit zu Arztbesuchen, bin bei der Geburt mit dabei, wenn es gewollt ist oder bin da, wenn einfach mal eine Schulter zum Anlehnen gebraucht wird“, erzählt sie im Gespräch mit Thüringen24. Ihr Ehrenamt sei vielfältig und je nach Elternpaar individuell – denn was für das eine paar der richtige Weg ist, funktioniert bei einem anderen überhaupt nicht. Jeder trauert schließlich auf seine Weise. Viktoria kümmert sich auch um die Bestattung, Sternenkinder-Fotografen oder Erinnerungsstücken.

Thüringerin mit Herzblut im Ehrenamt dabei

Das Ehrenamt verlangt Victoria viel ab – schließlich ist sie über einen längeren Zeitraum quasi 24/7 für die Sternenkind-Eltern erreichbar. Warum sie trotzdem mit Herzblut und voller Überzeugung dabei ist, wird deutlich, wenn man einen Blick auf ihre eigenen Vergangenheit wirft. „Ich habe selber drei Sternenkinder“, erzählt Viktoria. 2015 war ich komplett alleine… 2018 nochmal… und 2020 bin ich fast gestorben. Es war eine Eileiterschwangerschaft, das Kind war schon sehr groß“, erinnert sie sich zurück. „Damals hat mich Steffi wahnsinnig gut aufgefangen“.

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Steffi arbeitet schon jahrelang bei den Engelsflügeln. Den Kontakt zur Organisation hat die Thüringerin damals von ihrer Mama bekommen. Und schnell wurde Viktoria klar: „Das liegt mir!“ So kamen Schulungen zur Palliativ-Fachkraft und etliche Lehrgänge dazu. Doch ihren ersten „Fall“ wird Viktoria nie vergessen: „Dann kam am 2. Januar 2022 von der Organisationsleitung einen Anruf. ‚Ich hab hier ne Mama, die wohnt ganz in deiner Nähe‘. Ich hab gesagt ‚Nee ich kann das noch nicht‘ aber die Leitung hat mir Mut gemacht und dann bin ich los. Irgendwie muss doch allen so geholfen werden wie mir“, lässt Viktoria die Zeit Revue passieren.

Thüringerin spricht von emotionalem ersten Fall

Wichtig sei vor allem, den Eltern die Angst zu nehmen. Viele wissen auch gar nicht, welche Optionen sie nach einer solchen Diagnose haben. „Die kriegen das vor den Kopf geknallt und alles was der Arzt dann sagt, klingt erst einmal richtig“, erzählt Viktoria. Oft werde eine Ausschabung angeraten – doch das sei nicht in jedem Fall der beste Weg. Viktorias „erste Sternenkind-Mama“ habe beispielsweise in der 13. Woche erfahren, dass ihr Kind keinen Herzschlag mehr hat. „Ich habe ganz ganz viel mit ihr geredet, war bei ihr und habe sie aufgefangen und auch beraten“, erinnert sich Viktoria. Wichtig sei, der Mama oder den Eltern die Angst zu nehmen.

„Die Mama konnte dann das Kind still auf die Welt bringen und war mit der Situation zufrieden und dankbar“, so Viktoria. Eine „stille Geburt“ bedeutet, dass die Mutter wartet, bis die Wehen von selbst einsetzten und das Kind dann auf natürliche Weise gebärt. Besonders von ärztlicher Seite fehle oft Aufklärung. Was viele beispielsweise nicht wissen: Auch Sternen-Mamas haben einen Anspruch auf eine Hebamme.

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Noch heute stehe die Thüringerin mit ihrer ersten Trauerbegleitung in Kontakt. „Sie hat sich auch nochmal bei mir bedankt und mir Bilder von ihrem Regenbogenbaby geschickt. Da geht einem dann selber das Herz auf“. Regenbogenbaby wird im übrigen das gesunde Kind genannt, dass nach einem Sternenkind zur Welt kommt.

Organisation Engelsflügel versucht Thüringer Eltern aufzufangen

Die Worte „keinen Herzschlag“ werfen jedes Eltern-Paar beziehungsweise jede Mutter komplett aus der Bahn. Seelsorger wie Viktoria oder ihre Mitglieder der Engelsflügel versuchen die Eltern in Thüringen und ganz Deutschland aufzufangen. Dabei trägt die ehrenamtliche Organisation alle Kosten selbst. „Bei uns ist es das wichtigste, dass keine Kosten entstehen. Die Eltern haben in so einer Situation keine Nerven dafür“. Das einzige was Sternenkind-Eltern tun müssen, ist sich an die Organisation Engelsflügel zu wenden. Das geht beispielsweise unter www.organisation-engelsfluegel.de – zudem finden in Gotha auch regelmäßige Sterneneltern-Treffen statt. Hier können Sternenkinder-Eltern in den Austausch kommen und die Trauer gemeinsam bewältigen. Das nächste Treffen ist am 8. September ab 17 Uhr im AWO-Klub Galetti in der Jüdenstraße 44 in Gotha.


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Viktoria kann jedem Sternenkind-Paar nur raten, sich in solch einer schwierigen Situation Unterstützung zu holen. Denn reden sei das A und O. Und da sie das am eigenen Leib erfahren hat, weiß sie wie wichtig ihre Arbeit ist und so gibt sie jeden Tag ihr Bestes um allen Sternenkinder-Eltern so zu helfen, wie ihr geholfen wurde.