Martin Luther hat den Protestanten mit seiner Judenfeindschaft ein schwieriges Erbe hinterlassen. Zum 500. Reformationsjubiläum blickt die evangelische Kirche auf die Folgen – und auf heutige Aufgaben.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) greift auf ihrer Synode in Erfurt ein äußerst diffiziles Thema auf: Das Verhältnis des Reformators Martin Luther zu den Juden.
Vor dem 500. Reformationsjubiläum wollen die 80 Synodalen dazu am Freitag diskutieren und Stellung beziehen, sagte die Referatsleiterin Ökumene der EKM, Charlotte Weber, der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe darum, den christlichen Antijudaismus aufzuarbeiten, bei dem Martin Luther ein wichtiger Vertreter sei. Die Evangelische Kirche sieht nach eigenen Angaben eine Mitschuld an der Ausgrenzung und Vernichtung jüdischen Lebens.
Das Kirchenparlament will sich zudem von Mittwoch bis Samstag mit dem Haushalt 2017 befassen und einen neuen Leiter des Diakonischen Werkes wählen. Bischöfin Ilse Junkermann wird zum Auftakt in ihrem Bericht über Schwerpunkte und Herausforderungen christlicher Arbeit sprechen. Die EKM, zu der Teile in Thüringen, Sachsen-Anhalt und vereinzelt auch Gemeinden in Sachsen und Brandenburg gehören, hatte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 747 000 Mitglieder – rund 19 000 weniger als ein Jahr zuvor.
An der Diskussion am Freitag werden sich laut Weber auch ein Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland und ein Religionswissenschaftler beteiligen. „Wir wollen die jüdische Sicht auf Luther hören.“ Im Frühjahr habe sich die Synode mit der historischen Einordnung des Reformators beschäftigt.
Luther hatte anfangs das unheilvolle Verhalten der Christen gegenüber Juden kritisiert. Er wollte sie zum Christentum bekehren. Später rief er zu ihrer Verfolgung und Vertreibung auf. Seine an Schärfe und Feindseligkeit gespickten späten Schriften trugen über die Jahrhunderte zum Antisemismus bei. In dem Werk „Von den Juden und ihren Lügen“ von 1543 fordert er dazu auf, deren Synagogen niederzubrennen und festen Häuser zu zerstören, ihre religiösen Bücher zu vernichten, ihr Vermögen einzuziehen und ihnen körperliche Zwangsarbeit aufzuerlegen. Am besten wäre jedoch die radikale Lösung, dass „sie aus unserem Land vertrieben werden. Sie müssen in ihr Vaterland streben.“
1939 gründeten in Eisenach die „Deutschen Christen“, der zeitweise die Mehrheit der deutschen Protestanten angehörten, ein „Institut für die Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“. In einem neuen Gesangbuch etwa sollten alle Lieder entfernt werden, die „jüdisch sind in Wort und Denken.“ Laut Weber gab es zum 500. Geburtstag Luthers 1983 erste Anfänge, sich mit der Judenfeindlichkeit des Reformators intensiv auseinanderzusetzen.