Thüringen hat sich als Logistikstandort profiliert. Große Warenumschlagzentren stehen vor allem in den Gewerbegebieten entlang der Autobahnen. Doch wer fährt künftig die Waren zu den Kunden in Deutschland?
Thüringens Speditionen und Logistikunternehmen gehen die Fahrer aus. Nach Zahlen der Landesarbeitsagentur wächst der Bedarf an Lkw-Fahrern, gleichzeitig sitzen aber immer weniger Berufskraftfahrer hinter dem Lenkrad. Innerhalb von vier Jahren sei die Zahl der Lkw-Fahrer im Freistaat von rund 18.300 auf 16.900 gesunken, teilte die Landesarbeitsagentur auf Anfrage mit. Zudem sei der Anteil der über 55-Jährigen und damit der Fachkräfte, die in den kommenden Jahren altersbedingt aus dem Beruf ausscheiden, im Zeitraum zwischen 2013 und 2017 von knapp 23 Prozent auf jetzt 28 Prozent gestiegen.
Unternehmen finden keine neuen Lkw-Fahrer
„Viele Unternehmen würden gerne neue Fahrer einstellen, sie finden aber keine“, erklärte der Chef der Landesarbeitsagentur, Kay Senius. Das Problem wiegt schwer, weil sich Thüringen in den vergangenen Jahren mit der Ansiedlung einer Reihe von Unternehmen, darunter dem Internethändler Zalando oder dem Buch- und Mediengroßhändler KNV, als Logistikstandort weiter profiliert hat.
Beruf ist unattraktiv geworden – Nachwuchs fehlt
Robert Münnich, Vorstandsmitglied beim Logistik Netzwerk Thüringen, bestätigte das Missverhältnis zwischen dem Bedarf an Lkw-Fahrern und den Einstellungsmöglichkeiten. „Es kommen viele Dinge zusammen, warum dieser Beruf unattraktiv geworden ist“, sagte Münnich. Das beginne mit dem Vorwurf, Lkws seien für die Staus auf den Autobahnen verantwortlich, einem eklatanten Mangel an Parkmöglichkeiten und vergleichsweise hohen Kosten bis zum Lkw-Führerschein.
Politik und Gesellschaft seien gefordert
Arbeitgeber, aber auch Gesellschaft und Politik müssten den Beruf wieder mehr wertschätzen und die Arbeitsbedingungen der Fahrer verbessern. In den Unternehmen habe bereits ein Umdenken eingesetzt, um die Bedingungen attraktiver zu machen. „Wir wollen die Kollegen auch so lange wie möglich halten“, sagte Münnich. Bei älteren Fahrern gehe es um die Gestaltung des Fahrerhauses, aber auch um Unterstützung beim Be- und Entladen. Auch das Logistik Netzwerk bemühe sich, die Informationen für den Berufsnachwuchs sowie für Quereinsteiger zu verbessern.
Hunderte Brummis müssen stehen bleiben
Nach Angaben der Landesarbeitsagentur gab es 2017 im Jahresdurchschnitt rund 610 unbesetzte Stellen für Lkw-Fahrer in Thüringen. Die Zahl der Arbeitslosen, die den Zielberuf Berufskraftfahrer angaben, sei dagegen auf 525 gesunken. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen an die Fahrer, auch bei IT-Kenntnissen, angesichts der weiteren Internationalisierung des Logistikgeschäfts. „Die Speditionen treten gerade bei der Nachwuchswerbung in Konkurrenz zu anderen Branchen, die bei den Bewerbern ein attraktiveres Image haben“, sagte Senius.
1200 Weiterbildungen zum Lkw-Fahrer
Die Arbeitsagenturen versuchten, dem hohen Einstellungsbedarf Rechnung zu tragen. Allein im vergangenen Jahr hätten rund 1200 Männer und Frauen eine von der Arbeitsagentur oder den Jobcentern geförderte Weiterbildung für Lkw-Fahrer gestartet. Dazu gehörten der Erwerb der Berechtigungen zum Staplerfahren oder für Gefahrguttransporte.
Was könnte schon schief gehen?
Der Fahrermangel kann nach Ansicht von Münnich in Zukunft Auswirkungen auch auf die Verbraucher haben. „Die Laufzeiten könnten sich irgendwann verlängern. Dann steht die im Internet bestellte Ware möglicherweise nicht mehr schon am nächsten Tag vor der Tür.“