Kristina Vogel hält emotionale Ansprache: „28 Jahre lang haben mich meine Beine getragen“
Von Bettina Steinke
Als Radrennfahrerin hat sie Rekorde gebrochen. Sie ist mit über 70 Stundenkilometern über die Radrennbahnen dieser Welt gerast. Als Mensch musste sie vieles einstecken, innere Kämpfe überstehen und wieder zu sich selbst finden: Kristina Vogel.
Am Donnerstagabend erzählte Kristina Vogel, die seit 2019 im Erfurter Stadtrat sitzt, ihre Geschichte. Eine Geschichte über Erfolg, Schicksalsschläge und Mut. Über 180 Frauen aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung versammelten sich im Berliner „Hotel de Rome“ um die 31-Jährige, lauschten ihren Worten. Möglich machte das die Initiative „Frauen100“, gegründet von der Agentur Hell & Karrer.
Kristina Vogel über den schweren Unfall 2009: „Warum ich?!“
Den ersten Schicksalsschlag musste die Wahl-Erfurterin im Jahr 2009 einstecken, als sie bei einem Straßentraining von einem Auto angefahren wurde. Vogel erlitt schwere Verletzungen.
„Einen Satz gab mir meine Mutter im Krankenhausbett mit – nach meinem ersten Unfall. Ich brach mir fast alle Knochen in meinem Körper und war damals schon fast querschnittsgelähmt. Als ich zwei Tage später aus dem Koma aufwachte, war natürlich meine erste Frage ‚Warum ich?!‘ Meine Mutter sagte mir damals: ‚Gott gibt einem nur so viele Aufgaben, wie er glaubt, dass man sie schaffen kann‘.“
Und Kristina Vogel schaffte es. Die Bahnradsportlerin kam zurück – und wie! Nur wenige Monate nach dem schweren Unfall war sie wieder auf der Bahn, nahm an der Weltmeisterschaft in Kopenhagen teil – und fuhr das beste Ergebnis einer deutschen Radrennsportlerin nach über 20 Jahren ein.
Kristina Vogel erinnert sich an ihren schweren Unfall 2018 zurück
Was Vogel aus dem Unfall 2009 gelernt hat? „Wir sind stärker als wir denken. Also gehe ich da raus und bin stark!“ Wie stark sie wirklich ist, musste sie mit damals 28 Jahren erneut unter Beweis stellen. 2018 hatte die Profisportlerin einen verheerenden Unfall, der ihre Karriere beendete.
„Der 26. Mai 2018 war ein wunderschöner Tag. Ich absolvierte ein Training, es war die letzte Wiederholung an dem Tag. Ich beschleunigte und dann, dann wurde es schwarz. Einen kurzen Moment später lag ich auf der Ratanbahn. Ich wurde wach und ich wusste es sofort.“
Die Erinnerungen an jenen Tag sind schmerzhaft, dennoch ließ Vogel die Gäste daran teilhaben. Erzählte, wie sie die ersten Minuten nach dem Crash erlebte: „Es kamen Unfallhelfer angerannt und an der Art, wie sie angerannt kamen, erkannte ich, wie ernst es war. Ich bat sie darum, mir die Schuhe auszuziehen. Und plötzlich sah ich, dass der Unfallhelfer mit meinen Schuhen wegging. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass überhaupt jemand an meinen Füßen war.“
Diagnose: Querschnittslähmung. „Mein Körper musste heilen. Und ich musste verstehen, dass Heilen auch ein Erfolg sein kann. Es nicht mehr darum geht, Medaillen zu gewinnen. Sondern darum, einfach wieder gesund zu werden.“
Kristina Vogel: „Ich bin immer noch ich – nur anders“
Vogel lag wochenlang im Krankenhaus. Der einst so starken Radrennfahrerin fehlte plötzlich jegliche Kraft. Aufstützen im Bett? Unmöglich. Doch die tapfere Erfurterin kämpfte sich zurück ins Leben. Sie erkannte: „Ich bin immer noch ich – nur anders. Es gibt Dinge, die wir nicht ändern können. Aber wir entscheiden, wie wir damit umgehen wollen.“
Wie Kristina Vogel mit den vielen harten Momenten umgeht, die sie erleben musste? Bemerkenswert. Mit einem Lächeln im Gesicht erklärte sie: „28 Jahre lang haben mich meine Beine getragen. Und heute gebe ich ihnen was zurück. Und dabei glitzere ich und trage gerne die höchsten Schuhe in meinem Kleiderschrank.“