Seit weit über einem Jahr versucht das Landgericht Gera den Tod der neunjährigen Leila aufzuklären. Nun haben die ersten Verteidiger ihre Plädoyers gehalten.
Für den gewaltsamen Tod der neunjährigen Leila in Jena soll der 25 Jahre alte Hauptangeklagte nach dem Willen seiner Verteidiger fünf Jahre in Haft. Er sei wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verurteilen, erklärten die Rechtsanwälte Alexander Giehler und Cord Hendrik Schröder am Mittwoch in ihren Plädoyers vor dem Landgericht Gera. Dass er das Mädchen auch sexuell missbraucht habe, sei im Prozess nicht zweifelsfrei belegt worden – von diesem Vorwurf sei der 25-Jährige deswegen freizusprechen. Verteidiger Gottfried Reims sprach sich lediglich für eine „gerechte Verurteilung“ aus, ohne ein konkretes Strafmaß zu nennen.
Leila verblutete innerlich
Das Mädchen aus Bayern hatte vor zwei Jahren ihre Sommerferien bei Verwandten in Jena verbracht. In der Nacht zum 4. September 2014 soll der damalige Lebensgefährte von Leilas Tante ihr so heftig in den Bauch getreten haben, dass ihre Bauchspeicheldrüse riss und das Kind innerlich verblutete. Außerdem hat er es nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage in den Wochen zuvor sexuell missbraucht. Angeklagt sind auch Leilas Oma und ihre Tante, denen sie in dieser Zeit anvertraut war. Sie sollen die Gewalttaten zugelassen haben.
In ihren Plädoyers kritisierten die Verteidiger die Ermittlungsarbeit scharf und sprachen von „vielen Pannen“. Dazu gehört, dass bestimmte Ermittlungsakten zunächst verschollen waren und ein Slip, der für einen nachträglichen Test gebraucht worden wäre, nicht mehr auffindbar war. Rechtsanwalt Reims beklagte zudem „eine viel zu große Nähe“ zwischen Polizei und Rechtsmedizin in Jena.
Sexueller Missbrauch?
Die erst von der Rechtsmedizin entdeckten Verletzungen im Vaginal- und Analbereich des Mädchens, die von einem Missbrauch zeugen sollen, könnten auch anderweitig als durch seinen Mandanten entstanden sein, argumentierte Rechtsanwalt Giehler. Und für die gefundenen DNA-Spuren in Unterwäsche und Genitalbereich gebe es „eine Vielzahl von Übertragungsmöglichkeiten“ – etwa per Hand oder durch das wechselseitige Tragen von Kleidungsstücken.
Über seinen Anwalt hatte der junge Mann im Frühjahr erklären lassen, er habe seine Ruhe haben wollen und das Mädchen vom Bett aus unüberlegt getreten. An der Version hatte eine Rechtsmedizinerin aber erhebliche Zweifel. Nach ihrer Darstellung muss der Tritt mit großer Wucht etwa aus dem Stehen erfolgt sein. Zudem habe das Mädchen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Boden gelegen, als auf sie eingetreten wurde. Dazu verwies die Expertin auf Verletzungen am Rücken in gleicher Höhe – eine sogenannte Widerlagerverletzung.
170 Verletzungen
Nach Darstellung der Verteidiger könnten diese aber auch zu einem anderen Zeitpunkt entstanden sein. Bei der Obduktion waren rund 170 Verletzungen an dem Mädchen festgestellt worden.
Die Strafanträge der Verteidiger blieben erwartungsgemäß deutlich unter denen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Diese hatten vorige Woche neuneinhalb und elf Jahre Haft für den jungen Mann gefordert. Für sie hat sich auch der Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs im Prozess bestätigt. Die Anwältin von Leilas Mutter plädierte – so wie es ursprünglich angeklagt war – auf Totschlag.
Urteil wahrscheinlich im September
Für kommenden Dienstag (30. August) sind weitere Plädoyers der Anwälte der beiden mitangeklagten Frauen geplant. Der erste Anwalt von Leilas Tante plädierte am Mittwoch nach Gerichtsangaben auf Freispruch. Zudem stellte er einen weiteren Beweisantrag. Dieser soll klären, ob die Tante Gewalt, die Leila erlitten hatte, anhand einer Augenverletzung kätte erkennen müssen. Dazu regte Rechtsanwalt Peter Tuppat ein Gutachten eines Wahrnehmungspsychologen an.
Das Urteil in dem bereits weit über ein Jahr dauernden Prozess wird wohl erst im September gesprochen.