Nach schlimmen Fällen von Kindesmisshandlung wurde vor zehn Jahren die Thüringer Ambulanz für Kinderschutz am Uniklinikum Jena gegründet. Jetzt streiten Ambulanz und das von der Linken geführte Bildungsministerium um die Finanzierung.
Die vom Thüringer Bildungsministerium eingestellte Finanzierung einer Mitarbeiterstelle an der Thüringer Ambulanz für Kinderschutz in Jena sorgt für Ärger. Sie habe keinerlei Verständnis dafür, dass das Land für die Stelle anders als in der Vergangenheit kein Geld mehr ausgeben wolle, sagte die Direktorin der Kinderchirurgie am Universitätsklinikum Jena (UKJ), Felicitas Eckoldt, der Deutschen Presseagentur. Eckoldt leitet die Ambulanz, die Anlaufstelle unter anderem für Jugendämter, Ärzte, Polizei und andere Krankenhäuser bei Verdachtsfällen auf Kindesmisshandlung oder -missbrauch ist. Sie erhält jährlich bis zu 130 Anfragen.
In der Ambulanz, die nach bekannt gewordenen Fällen schwerer Kindesmisshandlungen vor zehn Jahren ihre Arbeit aufgenommen hatte, arbeiten unter anderem Kinderärzte, Kinderchirurgen, Kinderradiologen, Gerichtsmediziner und Psychologen des UKJ zusammen. Bei der strittigen Stelle liefen bisher die Kontakte vor allem zu den Jugendämtern zusammen.
Bis 2015 sei die Stelle vom Freistaat gefördert worden, sagte Eckoldt. Derzeit habe sie es geschafft, die Stelle über Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu finanzieren. Diese Drittmittel-Finanzierung werde aber Mitte 2017 auslaufen. Gespräche mit Sozial- und Bildungsministerium über weitere Fördergelder seien erfolglos geblieben.
Nach Angaben des Bildungsministeriums, das seit dem rot-rot-grünen Regierungsantritt anstelle des Sozialministeriums für die Ambulanz zuständig ist, hat das Land die strittige Stelle zwischen 2012 und 2015 mit etwa 130 000 Euro gefördert. Ein Ministeriumssprecher verwies darauf, dass es sich um ein Modellprojekt gehandelt habe und die Förderung damit zeitlich begrenzt gewesen sei. Es sei der Ambulanz nicht gelungen, „eine weitere Finanzierung über Mittel des Universitätsklinikums Jena zu sichern“. Zudem gebe es inzwischen neue Strukturen im Thüringer Kinderschutz, die eine Weiterförderung der Stelle nicht nötig machten.
Er verwies auf sogenannte Kinderschutzgruppen, die inzwischen an zehn Thüringer Kinderkliniken gegründet worden seien und „die alle gute und wichtige Arbeit leisten“. Diese würden bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung in enger Kooperation mit den zuständigen Jugendämtern handeln. Ministerin Birgit Klaubert (Linke) begrüße diese Entwicklung, „denn neben der Professionalisierung des Kinderschutzes an den Kliniken wird durch die gute regionale Verteilung der Standorte der Kinderschutz in Thüringen weiterentwickelt“.
Einige Fachgebiete mit Spezialwissen zu Kindesmisshandlungen gibt es in Thüringen allerdings nur am UKJ, etwa die Kinderradiologie und die Gerichtsmedizin. Auch Kinderchirurgen arbeiten an den wenigsten Thüringer Kliniken.
Eckoldt zufolge hat sich die Zahl der Kinderschutz-Fälle, in denen die Ambulanz von Jugendämtern aus dem gesamten Freistaat kontaktiert worden sei, seit der Einrichtung der Koordinierungsstelle mehr als verdoppelt. Zuvor habe die Ambulanz etwa 50 Anfragen jährlich erhalten. Offenbar gebe es also einen großen Bedarf in Thüringen nach einem zentralen Ansprechpartner für den Kinderschutz.
Beim Verdacht auf Kindesmisshandlungen gebe es eine große Grauzone, bei der sich nicht genau sagen lasse, ob Verletzungen eines Kindes wirklich von Misshandlung oder doch zum Beispiel von einem Sportunfall herrührten, sagte Eckoldt. „Diese Grauzone ist oft schwieriger zu durchdringen als die knallharten Fälle..“ Nach ihren Erfahrungen handele sich es aber nur bei maximal einem Fünftel aller Verdachtsfälle wirklich um eindeutige Kindesmisshandlungen.