Deutsche Quidditch-Meisterschaft findet Pfingsten in Jena statt
Sportart basiert auf den Harry-Potter-Romanen
Ein Selbsttest zeigt: Quidditch ist kein Sport für Zartbesaitete
Einen Haufen verrückter Harry-Potter-Fans, die auf einem Besen durch die Gegend hüpfen, sich einen Ball zuwerfen und rufen „Ich kann fliegen!“. Zugegeben – ganz vorurteilsfrei bin ich an diesen Termin nicht herangegangen. Die Idee, eine Sportart zu spielen, die aus einem Buch stammt und bei der man eigentlich fliegt, klingt einfach zu verrückt. Da am Samstag und Sonntag in Jena die Deutsche Quidditch-Meisterschaft stattfindet, war es nun an der Zeit, sich das Ganze aus der Nähe anzuschauen.
Video vom Training in Jena – so funktioniert Quidditch:
Ein Sport auch für Unsportliche
„Komm doch einfach zum Training und bring Sportzeug mit“, sagt Sarah Kempf locker bei der Terminabsprache. Sie ist Kapitänin des Teams „Jena Jobberknolls“ und hat mit einer Freundin 2015 Quidditch in der Saalestadt ins Leben gerufen. Mittlerweile spielen es rund 25 bis 30 Leute. Es sind Auszubildende, Studenten, Doktoranden und Berufstätige im Alter von 18 bis 29 Jahren. „Ich finde Quidditch toll, weil es eine komplexe und junge Sportart ist, bei der man sich noch sehr viel einbringen kann“, sagt die 26-Jährige. „Und es ist auch was für unsportliche Leute“, wirft ein Teamkollege ein. Quidditch hat Sarah im Auslandssemester in England kennengelernt. Früher hat sie Fußball gespielt, das war ihr aber zu harmlos.
Quidditch ist ein Vollkontaktsport
Als die Spieler ihre Mundschutze rausholen, dämmert es mir allmählich: Quidditch ist kein Sport für Weicheier und Püppchen. Wer Angst vor blauen Flecken hat, ist hier fehl am Platz. „Es ist ein Vollkontaktsport“, sagt Sarah. Es werden nicht nur Elemente aus Handball und Dodgeball beziehungsweise Völkerball miteinander vereint, sondern auch Rugby-Elemente gehören dazu, so die Erklärung. Zwar darf man den gegnerischen Spieler nicht von hinten anfallen, aber ihn von vorne umzurennen oder zu Boden zu ziehen, ist erlaubt. Und das wird geübt.
Bildergalerie: Die „Jena Jobberknolls“ beim Training
Nie ohne Besen spielen
Zwei Spieler stehen sich gegenüber. Einer hat den Ball, der andere möchte ihn haben. Jetzt heißt es losrennen, den Gegner den Arm um die Hüfte legen und zu Boden bringen. Der Ballbesitzer versucht, dem Angreifer auszuweichen oder sich vor der Attacke nicht großartig aufhalten zu lassen. Dabei haben die Spieler immer einen Besen zwischen den Beine klemmen, den sie nicht verlieren dürfen. Eine Herausforderung ist deshalb auch, sich oder dem Gegner den Stil nicht sonst wohin zu rammen.
Besen splittern. Fünf oder sechs gehen im Laufe des Trainings kaputt. „Sonst sind es nicht so viele“, lautet der nüchterne Kommentar. Die Splitter werden schnell aufgesammelt und der Stock getauscht. An den scharfen Kanten soll sich schließlich keiner verletzen. „Beim Tackeln kann man schon mal einen Besen oder Ellenbogen abbekommen“, sagt Sarah. So schlimm sei das aber nicht. „Wir laufen ja alle noch“, meint sie grinsend. Wenig beruhigend ist die Zahl der Spieler, die verletzungsbedingt ausfallen und nun als Schiedsrichter fungieren.
Auch Transgender sind willkommen
Nach dem Technik-Teil wird gespielt. Zwei Teams mit je sieben Spielern treten gegeneinander an. Maximal vier Spieler dürfen sich mit dem gleichen Geschlecht identifizieren. „Auf diese Weise sind Spieler jeden Geschlechts, ob innerhalb oder außerhalb des binären Systems, willkommen“, heißt es auf der Website des Deutschen Quidditchbundes. Das heißt, es könnten beispielsweise auch Transgender problemlos mitspielen. „Das ist das Schöne an dem Sport, es kann wirklich jeder mitmachen, der will“, sagt Sarah. „Keiner wird ausgegrenzt und die Gemeinschaft ist stark.“ Nur Angst vor einem Ball hat man besser nicht, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
So wird Quidditch gespielt
Ziel des Spieles ist es, mehr Punkte als der Gegner zu erzielen. Pro Teams gibt es drei Jäger. Sie passen sich den Quaffel – einen Volleyball – zu und versuchen ihn, durch einen der drei Ringe der gegnerischen Mannschaft zu werfen. Pro Treffer gibt es zehn Punkte. Der Hüter – eine Art Torwart – will Treffer verhindern. Zwei Treiber versuchen mit Klatschern, hierfür dienen Dodgebälle, die gegnerischen Spieler abzuwerfen. Wer getroffen ist, muss vom Besen absteigen und darf erst weiterspielen, wenn er einen Ring des eigenen Teams berührt hat. Welche Position ein Spieler innehat, zeigen bunte Stirnbänder.
Wie der Schnatz ins Spiel kommt
Nach 17 Minuten kommt ein in Gelb gekleideter, unparteiischer Spieler aufs Feld. An seinem Hosenbund ist der Schnatz befestig. Das ist ein Tennisball, der in einer Socke steckt. Der Sucher – pro Team gibt es einen – versucht nun, den Schnatz zu fangen, also die Socke aus dem Hosenbund zu ziehen. Gelingt ihm das, erhält sein Team 30 Punkte und die Partie ist beendet.
Deutsche Quidditch-Meisterschaft verfolgen
Beim Training kam der Schnatz nicht zum Einsatz. Bei der Deutschen Meisterschaft am kommenden Wochenende darf er aber natürlich nicht fehlen. „Die schaut man sich am besten vor Ort an. Es findet sich immer jemand, der einem die Regeln und was auf dem Feld eigentlich vor sich geht erklärt“, sagt Sarah. Wer nicht vorbeikommen kann, der kann die Wettkämpfe auch im Livestream auf der Internetseite sportdeutschland.tv verfolgen.
Wann und wo trainiert wird
Um selber mitzumachen, braucht man nur Turnschuhe und gute Laune. Trainiert wird montags und mittwochs ab 18.30 Uhr auf dem Sportplatz hinter der USV-Dreifelderhalle in der Seidelstraße 20 in Jena. „Auf unserer Facebook-Seite steht auch immer der aktuelle Ort, falls sich mal was ändert“, sagt Sarah.
Ausgepowert, aber glücklich
Um ein paar blaue Flecken und Schrammen reicher, endet das Training für mich. Was für ein Spaß! Die Regeln sind zwar etwas verwirrend und es ist mehr als merkwürdig, mit einem Plastikstab zwischen den Beinen übers Spielfeld zu laufen, das tut der Spielfreude aber keinen Abbruch. Auch die Vorurteile sind wie weggeblasen – fast jedenfalls: Ein bisschen verrückt muss man für Quidditch schon sein. Nur eine Frage stelle ich mir immer noch: Wie zum Teufel kann das ein Sport für Unsportliche sein? Ich bin jedenfalls nach dem Training durchgeschwitzt und ausgepowert, aber glücklich.