Veröffentlicht inThüringen

Gera: Oberbürgermeister diskutiert mit „Corona-Spaziergängern“ – dabei wird er ganz deutlich! „Da hört für mich alles auf“

Gera: Oberbürgermeister diskutiert mit „Corona-Spaziergängern“ – dabei wird er ganz deutlich! „Da hört für mich alles auf“

Gera Oberbürgermeister Julian Vonarb Corona-Spaziergänger Demonstration Versammlung Polizei
Julian Vonarb, Oberbürgermeister von Gera (links) im Gespräch mit Unternehmer Peter Schmidt. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Sie sorgen bundesweit momentan für Aufsehen: Die sogenannten „Spaziergänge“ gegen die Corona-Maßnahmen, die wöchentlich in Tausenden Städten Deutschlands stattfinden. Auch in Gera haben die Proteste enormen Zulauf.

Für Schlagzeilen sorgte der Aufmarsch am 18. Januar, der vor dem Haus von Julian Vonarb, dem Oberbürgermeister von Gera, endete (hier mehr dazu). Trotzdem kam der Politiker am Mittwoch ins Gespräch mit einem Gegner der Corona-Maßnahmen. Dabei wurde hitzig diskutiert.

Gera: Diskussion mit „Spaziergänger“

„Es war mir wichtig, relativ schnell ins Gespräch zu kommen“, stellt der Bürgermeister von Beginn an klar. Das Format fand ohne Publikum statt und ist stattdessen live bei Facebook übertragen worden. Vonarb gegenüber saß Peter Schmidt.

+++ Bodo Ramelow angesichts der Corona-„Spaziergänge“ fassungslos – „Es kann sich keiner rausreden +++

Der 53-jährige Unternehmer hat mit seiner Berichterstattung über die „Spaziergänge“, die er in den sozialen Netzwerken teilt, in der Stadt Bekanntheit erlangt. An der Organisation der Demonstrationen sei er jedoch nicht beteiligt, betont Schmidt.

„Bruch gegen das Gesetz“ in Gera

„Ich habe keinen Anteil daran, dass sie stattfinden“, sagt er. Wichtig sei ihm vor allem, „dass die Leute ihre Meinung friedlich kundtun“. Dem Vorwurf, er rufe die Menschen zum Protestieren auf, streitet er ab.

Er schreibe lediglich seine eigene Meinung dazu und „unterstütze die Menschen, die mit einem berechtigten Anliegen auf die Straße gehen“. Sein Gegenüber spricht nichtsdestotrotz von einem „Bruch gegen das Gesetz“.

Zulauf von Rechtsradikalen in Gera

Denn die „Spaziergänge“ finden ohne Anmeldung statt, womit die Teilnehmer eine Ordnungswidrigkeit begehen. Was Vonarb noch mehr Sorgen bereitet, ist die zunehmende Anzahl Rechtsradikaler, die sich unter die Demonstranten mischen.

———————

Das ist die Stadt Gera:

  • war Landeshauptstadt des Fürstentums Reuß jüngerer Linie (1848 bis 1918) sowie des Volksstaates Reuß (1918 bis 1920)
  • war zur Blütezeit der Stoff- und Tuchindustrie (ab Mitte des 19. Jahrhunderts) eine der reichsten Städte Deutschlands
  • gehört zur Metropolregion Mitteldeutschland, hat geringe Entfernungen zu Leipzig (60 Kilometer), Erfurt (80 Kilometer), Zwickau (40 Kilometer) und Chemnitz (70 Kilometer)
  • mit über 93.000 Einwohnern (Stand 2019) drittgrößte Stadt Thüringens
  • trägt seit 2017 offiziell den Titel als „Hochschulstadt“
  • Oberbürgermeister ist Julian Vonarb (parteilos)

———————

„Deutlich verstärkt“ fiele es auf, dass sich Rechtsextreme unter dem Deckmantel der „Spaziergänge“ breit machen so Vonarb. Deshalb sei in den Augen des Oberbürgermeisters auch eine starke Polizeipräsenz gerechtfertigt.

Zu Beginn friedliche „Spaziergänge“ in Gera

Schmidt hingegen findet die Anwesenheit „Hunderter hochgerüsteter Polizisten“ nicht verhältnismäßig und verweist auf die friedlichen „Spaziergänge“ in Gera, bei denen die Protestler den Beamten sogar applaudiert haben.

Der Aufmarsch am 18. Januar scheint davon weit entfernt. Der Marsch durch die Stadt gipfelte darin, dass sich rund 1.200 Menschen vor dem Wohnhaus Vonarbs versammelten. „Da war für mich dann alles durch“, sagt der Politiker.

Gera kündigt weitere Gespräche an

Die Bürger haben Parolen und Vorwürfe gerufen, die Situation hätte laut dem Bürgermeister schnell eskalieren können. „Da hört für mich alles auf“, betont er noch einmal. Sein Gesprächspartner, der sich ebenfalls vor dem Haus Vonarbs eingefunden hatte, stimmt dem zu.

———–

Mehr News aus Gera:

———–

Er bezeichnet das Geschehen als „absolut nicht in Ordnung“. Er ärgere sich, dass dies passiert sei. Denn er plädiert dafür, die „Dinge offen miteinander auszutragen“. Genau das soll der Sinn dieser Diskussion sein. Das Gespräch der beiden ist der Auftakt zu einer ganzen Reihe dieses Formates.

Gespräch in Gera sorgte für Kritik

Gera wolle „Menschen zu Wort kommen lassen, die sonst keine Chancen haben, zu Wort zu kommen“. Beispielsweise Sportvereine, die Gastronomie oder Pflegekräfte.

Die Einladung Schmidts zum Gespräch hatte vorab für Kritik gesorgt. Die Mobile Beratung Thüringen (Mobit) twitterte: „Wer diesen Leuten eine Plattform bietet, verharmlost die Gefahr der Szene.“ Das sei ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die seit Monaten bedroht und angegriffen würden.

„Die Menschen haben Frust in sich, das verstehe ich, und die wissen nicht, an wen sie es richten sollen. Deswegen machen sie leider diese illegalen Versammlungen“, reagierte der Politiker bereits vor dem Gespräch auf die Vorwürfe. Die Menschen brauchten Ventile und er als Oberbürgermeister sei auch Ansprechpartner. (dpa/lh)